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Wie du das richtige SaaS Preismodell findest und Fehler wie bei LemonSpeak vermeidest

Falls du gerade an deinem eigenen SaaS arbeitest oder auch an einem anderen digitalen Produkt und vor der Entscheidung stehst, wie du das Pricing gestaltest, dann bist du hier genau richtig.

Ganz kurz vorweg: Jedes Produkt und jedes Unternehmen ist individuell, daher gibt es keine allgemeingültige Antwort auf die Frage nach dem besten Preismodell. Es beschäftigen sich super viele Menschen mit dem Thema und du findest unzählige Bücher und Blogposts im Internet über das richtige Preismodell.

In diesem Artikel möchte ich dir Einblicke geben, wie ich das Pricing für LemonSpeak gestaltet habe, was gut war und was ich hätte anders machen sollen.

Die bekanntesten Preismodelle

Bevor ich auf LemonSpeak’s Preismodell im Detail eingehe, bedarf es zur Einordnung eines kurzen Überblicks über die gängigsten Preismodelle:

  1. Monatlich wiederkehrende Gebühr (de facto Standard, hat die Einmalzahlung durch den Produktschlüssel abgelöst)
  2. Nutzungsbasiert, auch Pay-as-you-go oder Metered Pricing genannt. Bezahlt wird, was verbraucht wird.
  3. Credit / Token basiertes Modell: Bezahle einen Betrag X den du dann verbrauchen kannst. Quasi nutzungsbasiert nur umgekehrt.

Meine Anfänge mit LemonSpeak

Als ich mit LemonSpeak anfing, wollte ich ein Preismodell anbieten, das dem Kunden zugute kommt und seine Interessen mehr berücksichtigt als meine. Ich bin davon überzeugt, dass dieses Prinzip nach wie vor richtig ist, denn potenzielle Kunden merken sehr schnell, ob ein Preismodell fair ist oder nicht.

Das Geschäftsmodell hinter LemonSpeak ist schnell erklärt: Podcaster:innen können eine Episode als Audiodatei hochladen und verarbeiten lassen. Dabei entsteht content, bspw. Show Notes, ein Transkript, Kapitelmarken, Tweets, etc. welche Podcaster weiterverwenden können.

Die Anzahl der Minuten einer Episode ist ein wichtiger Faktor für die Kostenberechnung. Je mehr Minuten eine Audiodatei enthält, desto höher sind die Kosten für LemonSpeak. Das wohl bekannteste Preismodell für ein SaaS ist eine monatliche Gebühr, die in den Folgemonaten wiederkehrend gezahlt wird, solange der Kunde im Abonnement ist (siehe 1.). Dead simple.

In der Landschaft der generativen KI Podcast Tools habe ich dieses Modell am häufigsten gesehen. Es werden Pakete definiert, wie z.B:

  • Small (0-100 Minuten)
  • Medium (101-200 Min)
  • Large (201-300 min)

Die erste Iteration des Preismodells und das Problem der fehlenden Overage

Das erste Preismodell mit welchem ich gestartet hatte, beinhaltete keine overage. Zu Beginn war es lediglich monatliche Grundgebühr + Verbrauch. Es spielte keine Rolle wie viele Minuten ein Podcaster (zu viel) verbraucht hatte. Das führte dazu, dass Kundinnen ein Abonnement starteten, all ihre Episode verarbeiten liesen und dann wieder kündigten. Das hört sich im ersten Moment nicht sehr tragisch an, daher möchte ich dir als Verdeutlichung eine Beispielsrechnung zeigen: Angenommen ein Podcast, besitzt 20 Episoden mit einer durchschnittlichen Dauer von 40 Minuten. Das sind 800 Minuten in Summe und der Umsatz wäre: $7 + 800 * $0,04 = $39. Mit dem angepassten Preismodel wären es $107.20 oder $68.80 USD im Studio plan. Die $39 sind nicht gerade der Lebenszyklus den ich mir unter einem SaaS und für einen Kunden vorgestellt hatte. Um das zu lösen führte ich die overage ein. Sollte ein Kunde also mehr verarbeiten lassen, wird er nicht gezwungen in einen höheren Plan upzugraden, sondern zahlt eine erhöhte Gebühr für den zusätzlichen Verbrauch, im englischen overage genannt.

Welches Preismodell ich für LemonSpeak gewählt habe

Wenn ich als Podcaster im Monat mehr als 110 Minuten produziere, dann benötige ich bereits das Paket Medium und darf nicht mit dem günstigeren Small Paket starten. Die Grenzen der Preismodelle werden absichtlich so gewählt, dass ein Kunde idealerweise nicht das kleinste Paket abonniert. Das fand und finde ich unsympathisch, weshalb ich dieses Modell nicht übernehmen wollte. Viel mehr erschien es mir fair, die Anzahl der Minuten abzurechnen, die wirklich verbraucht wurden. Um jedoch etwas Planungssicherheit bzgl. der Umsatzentwicklung zu erhalten, habe ich “pay-as-you-go” mit einer monatlichen Grundgebühr kombiniert. Natürlich habe ich auch in der Anzahl der Feature unterschieden, aber der wirklich grosse Unterschied der Pläne war wie viel Minuten verarbeitet werden dürfen. Mehr dazu folgt gleich.

Hier ist das Preismodell von LemonSpeak:

Preismodell LemonSpeak

Das Beste aus beiden Welten, so die Idee. Gesagt, getan. Die Vorgehensweise erwies sich jedoch aus mehreren Gründen als nachteilig.

Nachteile des hybriden Preismodells welches LemonSpeak nutzt

Es ist nicht einfach zu verstehen

Du siehst hier fünf verschiedene Pläne (Studio, Professional, Beginner, Flexible, Free). Die Badges “For the first … Minutes” definieren wie viele Minuten mit der Standardgebühr von 4 cent/Minute abgerechnet werden. Sollte ein Kunde mehr verarbeiten lassen, wird er nicht gezwungen in einen höheren Plan upzugraden, sondern zahlt eine erhöhte Gebühr für den zusätzlichen Verbrauch (englisch overage). Eine overage ist häufiger bei Cloud Anbietern zu sehen, allerdings dachte ich mir, dass das Konzept super kundenfreundlich ist, da sie ohne Zwang in ihrem Plan bleiben dürfen. Falls ich dich bereits verloren oder verwirrt habe, dann kann ich das nachvollziehen.

Vielleicht geht es dir wie den meisten und du fragst dich: Was genau ist Overage und wie viel kostet mich das jetzt im Monat? Um zumindest die letzte Frage zu beantworten, habe ich eine verbrauchsabhängige Berechnung eingebaut.

Kostenberechnung für einen Kunden auf LemonSpeak

Das ist jedoch nur ein Tropfen auf dem heißen Stein und ich kann bestätigen, dass es nicht sehr intuitiv ist. Damit verliere ich potentielle Kunden bereits auf der Preisseite.

Der Flexible Plan und die benötigte Arbeitszeit

Die Idee dahinter war diesen Plan anzubieten für Personen, welche entweder kein Abo starten möchten, oder für Audiodateien die recht kurz sind. Der Plan wurde recht häufig genutzt. Was ich nicht bedacht hatte, waren die hohen Gebühren von Stripe und der Zeitaufwand für die Abrechnung. Stripe ist ein amerikanisches Unternehmen und ein Zahlungsdienstleister. Als Zahlungsdienstleister wickeln sie Zahlungen ab und erfüllen Zertifizierungen bzgl. gesetzliche Standards.

Der Zeitaufwand für die Verbuchung der Rechnungen sowie der administrative Aufwand im Allgemeinen sind nicht zu unterschätzen. Insbesondere bei der flexiblen Option wurde nach der Bearbeitung eine Rechnung ausgestellt, was bedeutet, dass ich oft vier Rechnungen pro Monat für den gleichen Kunden verbuchen musste. Nachfolgend zwei Abrechnungen aus dem "Beginner Plan" und dem "Flexible Plan"

Stripe Kosten des Beginner Plans

Für das Beginner-Paket, welches 7 USD kostet, bleiben 5,85 Euro nach Stripe übrig.

Screenshot: Beginner-Plan Gebühr von Stripe

Stripe Kosten des Flexible Plans

Bei einer Pay-as-you-go-Version war es noch schlimmer. Eine Rechnung von 0,90 USD endete in einem Rechnungsbetrag von 0,54 Euro für LemonHeap, der dann noch als Gewinn beim Finanzamt versteuert werden muss. Die 27 Cent sind bereits 21% des Umsatzes. Eine sehr hohe Gebühr.

Screenshot: Flexible-Plan Gebühr von Stripe

Die hohen Kosten und der Zeitaufwand für die Verbuchung sind so hoch, dass ich den Flexible Plan nicht mehr anbieten würde. Ich würde ihn auch nicht teurer machen. Einfachheit siegt hier. Für den Kunden, für mich und für dein digitales Produkt.

Abrechnung am Ende der Laufzeit vs. zu Beginn

Normalerweise erfolgt die Abrechnung eines SaaS-Abonnements zu Beginn der Laufzeit. Bei dem von mir gewählten Hybridmodell war das nicht möglich, da ich erst am Ende des Kundenzyklus wusste, wie hoch der tatsächliche Verbrauch war. Cloud-Anbieter haben dasselbe Problem, aber warum ist das eigentlich ein Problem?

Leider musste ich mit mehreren Kunden die Erfahrung machen, dass die Rechnungsstellung am Ende des Monats zu Problemen führte. 16% der Kund:innen haben am Ende die automatische Zahlung verweigert. Meist indem sie ihr Zahlungsinstitut angewiesen haben, die anstehende Zahlung an LemonSpeak zu blockieren. So wird ein SaaS-Betreiber schnell über den Tisch gezogen. In meinem Fall waren es Kunden die nicht in Deutschland ansässig waren. Das ist super ärgerlich, weil ich nicht viel machen konnte. Natürlich wird wiederholt von Stripe versucht die Zahlung einzuziehen und auch E-Mails habe ich wiederholt versendet, aber jeder der sich geweigert hat ist damit auch davon gekommen. Die Art und Weise, wie das ablief, ließ mich auch vermuten, dass diese Personen dies nicht zum ersten Mal taten.

Das zweite Problem war, dass mir Kunden E-Mails schickten, in denen sie LemonSpeak vorwarfen, unrechtmäßig Geld eingezogen zu haben, obwohl das Abonnement bereits vor zwei Wochen gekündigt worden war. Ich musste dann jedes Mal erklären, dass dies aufgrund der Pay-as-you-go-Struktur gerechtfertigt ist, da diese Kunden bis zum Ende ihres Abrechnungszyklus noch ein aktives Abonnement hatten. Es kam auch vor, dass LemonSpeak aufgrund dieses Umstandes der Täuschung bezichtigt wurde, was zu zwei oder drei weiteren E-Mails mit Erläuterungen zum Preismodell führte. Das kostet extra Zeit, die du für andere Tätigkeiten nicht mehr hast. Als ich das erste Mal eine solche E-Mail und eine solche Anschuldigung erhielt, hat mich das natürlich getroffen. Allerdings gehören Ärgernisse und unfreundliche Kund:innen / Internet Trolle auch zum Leben als Selbständiger dazu und ich habe daraus gelernt, so dass ich mich davon nicht mehr aus der Ruhe bringen lasse.

Wie findest du also das optimale Preismodell für dein SaaS oder digitales Produkt?

  1. Zuerst würde ich mir eine Liste machen, wie deine Konkurrenz ihr Preismodell aufgebaut hat. Die Chancen sind extrem hoch, dass auch sie sich lange damit beschäftigt und Vor- und Nachteile abgewogen haben. Orientiere dich also an dem Preismodell deiner Konkurrenz. In meinem Fall hätte ich mehr hinterfragen sollen, warum niemand pro Minute abrechnet.
  2. Der zweite Punkt, den ich dir mit auf den Weg geben möchte, ist, dass du dir genau anschaust, wie hoch die Gebühren deines Zahlungsdienstleisters für die verschiedenen Modelle sind. Betrachte auch, wie der Arbeitsprozess von der Abrechnung bis zu deiner eigenen Buchhaltung aussieht. Solange das nicht vollautomatisch abläuft, kostet das enorm viel Zeit.
  3. Der dritte Punkt ist, dass es immer Leute geben wird, die einen Dienst missbrauchen und finanziellen Schaden anrichten. Die Rechnungsstellung zu Beginn des Zyklus löst jedoch das beschriebene Problem der Blockierung der Zahlung. Wenn dies der Fall ist, wird das Kundenkonto deaktiviert und du hast deinen Seelenfrieden.
  4. Und zu guter Letzt: Mach es so einfach wie möglich! Bitte einen Freund oder eine Freundin, die dein Produkt noch nicht kennt, sich deine Preisseite anzusehen. Nach 10 Sekunden sollten sie es verstanden haben, ansonsten würde ich weiter iterieren.

Finale Gedanken

Ein Preismodell ist nicht in Stein gemeißelt und es ist normal, dass es Iterationen und Änderungen gibt. Auch wenn es nicht starr ist, so ist die Einführung eines neuen Preismodells doch mit Aufwand verbunden. Zum einen aus technischen Gründen und zum anderen, wenn es bereits Kunden mit bestehenden Verträgen gibt, können diese nicht einfach per Mausklick auf das nächste Preismodell migriert werden. Das wäre allein schon aus rechtlicher Sicht nicht sauber. Auf der anderen Seite darf man sich aber auch nicht auf ein Preismodell versteifen. Irgendwann muss eine Entscheidung getroffen werden. Solange diese Entscheidung nach reiflicher Überlegung und Marktbeobachtung getroffen wird, ist sie zu diesem Zeitpunkt nach bestem Wissen und Gewissen getroffen und der Rest wird durch Iterationen verbessert.